Wie ihr ja das letzte Mal von uns erfahren habt, war der Abschied von unserer Fahrt Richtung Norden nicht ganz so einfach. Zu unser beider Freude hat uns aber auch Schweden mit offenen Armen empfangen und wir durften tolle Menschen und wunderschöne Regionen entdecken. Auch wenn vieles im ersten Moment etwas weniger imposant oder wild wirkte, wie noch in Norwegen. Dafür wurden wir von den Schweden selbst merklich herzhafter empfangen als von den Norwegern, wenn wir an einem Campingplatz oder in einer AirBnB-Unterkunft ankamen.
Wie wir bereits im Beitrag Hei, Hei! erzählt haben, sind wir ja schon auf unserer Fahrt nach Norden durch den südwestlichen Teil des Landes gekommen. Dieses Mal haben wir es vom hohen Norden her nach Süden durchfahren. Unseren ersten Kontakt zum Land hatten wir noch von einer Unterkunft im norwegischen Narvik aus, als wir einen ersten Besuch in Nord-Schweden machten, um im Abisko Nationalpark zu wandern. Nur schon die Fahrt zum Park führte durch ein sehr schönes, hochalpin wirkendes Gelände. Auch wenn die Passgrenze zwischen Norwegen und Schweden gemäss Karte gerade mal auf etwas mehr als 500 Höhenmeter lag. Zu unserem Erstaunen gab es hier wenig Verkehr. Eine Erfahrung, die wir in den kommenden Wochen immer wieder machen würde. Die Touristensaison hatte Mitte August wohl offiziell geendet…
Der Abisko Nationalpark umschliesst ein Wald- und Flussgebiet. Das Besucherzentrum sowie ein Bahnhof liegen am nördlichen Ende des Nationalparks, nahe am riesigen Torneträsk Sees. Hier liegt auch das Ende, beziehungsweise der Start des Weitwanderweges Kungsleden, der sich über mehrere hundert Kilometer nach Süden durch das „Hochland“ schlängelt. Unser Tagesbesuch an dessen nördlichem Ende hat ihn bereits auf meine Wunschliste für einen weiteren Besuch gesetzt.
Gleich beim Besucherzentrum durften wir einen Blick in die beeindruckende Abiskojåkka Schlucht werfen, durch die der Fluss aus dem Inland in den Torneträsk fliesst. Mehrere Stunden waren wir in diesem wirklich schönen Gelände mit einer Mischung aus Schlucht, Flussufer, Wald, Sumpf und freien Flächen unterwegs. Hin und wieder kamen uns mit schweren Rucksäcken beladene Wanderer entgegen, für die hier wohl eine mehrtägige Wanderung endete. Wie so oft bekamen wir auch hier leider keine grösseren Tiere zu Gesicht, aber der Ausblick auf die Bergformation Lapporten, zu deutsch die Lappenpforte, war immer wieder beeindruckend. Diese U-förmige Bergformation bildet das Wahrzeichen von Abisko uns zählt zu den meist fotografierten Fjällmotiven Lapplands. So haben natürlich auch wir ein Foto davon gemacht. 😉
Tags darauf verliessen wir Norwegen dann für den Rest dieser Reise und fuhren erneut Richtung Abisko, liessen uns für den Weg dorthin aber mehr Zeit. Tagesziel war dann schliesslich Kiruna – DER Bergbaustadt von Schweden. Nach der wundervollen Natur über die Grenze und im Abisko Nationalpark war die Stadt leider keine Schönheit und auch die Unterkunft am Stadtrand, wirkte trotz ihrer Lage im Grünen irgendwie nicht so idyllisch. Trotzdem beschlossen wir hier nochmals eine Pause zu machen, bevor wir uns Richtung Süden wenden würden.
Kiruna wirkte bei unserem Besuch sehr neu. Grund dafür ist, dass da die riesige Miene unter der Oberfläche die Stabilität derselben beeinträchtigt und deshalb die ganze Stadt mehrere Kilometer Richtung Osten verschoben wird. Der neue Stadtkern wirkt irgendwie fehl am Platz in dieser ländlichen Gegend mit seinen top modernen Gebäuden. Von der alten Stadt selbst ist wegen Bauzäunen, abgerissenen oder im Abbau befindlichen Gebäuden nicht mehr sonderlich viel zu sehen. In den alten Stadtteilen wirkt Kiruna wie eine Geisterstadt und es ist unglaublich, dass teilweise ganze Gebäude von einem Standort zum nächsten übersiedelt wurden, um diese zu erhalten. Am Rand der Stadt prägt die riesige Mine das Landschaftsbild.
Auf jeden Fall einen Besuch wert war dann das Sami Museum Nutti Sámi Siida in Jukkasjärvi am Ende der Strasse unserer Unterkunft. Zwar erfuhren wir hier nicht ganz so viel über die Geschichte der Samen, wie wir es weiter südlich in Jokkmokk noch würden, aber das Freilichtmuseum war schön gemacht und wir durften eine Gruppe von Rentieren aus nächster Nähe beobachten und sogar anfassen! Wie wir hier lernen durften, befanden wir uns jetzt in jenem Gebiet, wo die Sami-Kultur historisch verwurzelt ist und Sápmi (Siedlungsgebiet bzw Kulturraum der Samen) sich bis nach Norwegen, Finnland und sogar Russland, sowie nach Nord- und Südschweden ausdehnt.
Nach einer weiteren Nacht, in der wir neuerlich das Naturschauspiel der Nordlichter erleben durften, setzten wir unsere Reise schliesslich Richtung Süden fort. Noch einmal gab es ein AirBnB für uns, weit abseits der Zivilisation, weil ich gehofft hatte, hier vielleicht einmal einen guten Blick auf den Himmel und die Nordlichter ohne Lichtverschmutzung zu haben. Leider war das Wetter nicht auf unserer Seite und so verbrachten wir unseren Tag vor Ort mit einer Wanderung auf eine kleine Anhöhe in der Umgebung und die Nacht mit tiefem, erholsamen Schlaf. Die Wanderung brachte uns über den Nadelwald hinaus und eröffnete den Blick in die flachen Weiten von Schwedens Norden. Einmal mehr war es beeindruckend zu sehen wie flach die Landschaft hier war, aber auch wie sich der Wald in alle Himmelsrichtungen bis zum Horizont ausbreitete.
Unser nächster Stopp war Jokkmokk. Die Fahrt dorthin, sowie auch unser Einkaufs-Stopp in der Bergbaustadt Gällivare, waren eher wenig beeindruckend, da sich links und rechts der Strasse weiterhin ein Nadelbaum nach dem anderen ins Bild schob. Ein Highlight gab es aber kurz vor Gällivare trotzdem, wenn auch mit bedauernswertem Hintergrund: In der Nähe des Bergbaus musste vor kurzem die Strasse mit einem Wildzaun abgeschirmt worden sein, an welchem wir eine Elchkuh entdeckten, welche völlig irritiert den Zaun ablief und sehnsüchtig auf die andere Seite blickte. Es war offensichtlich, dass sie gewohnt war diese Schnellstrasse zu überqueren, dies jetzt aber nicht mehr möglich war. Sie tat uns leid, auch wenn wir selber auf unserer Fahrt doch froh waren, dass die Schnellstrassen ab hier praktisch immer eingezäunt waren, um Unfälle mit dem Wild zu vermeiden. Was dieses zerstückeln der Natur aber mit den Tieren, die darin leben, anrichtet, können wir nur erahnen.
Nach einer gefühlt doch sehr langen Fahrt durch endlosen Wald kamen wir schliesslich auf dem Campingplatz in Jokkmokk an. Dieser war erstaunlich gross und gut ausgestattet. Sogar ein Schwimmbad, eine Sauna und ein Minigolfplatz waren vorhanden. Anwesend waren nur sehr wenige Camper. Offensichtlich war jetzt, fast schon Mitte September, die Saison der mitteleuropäischen Camper zu Ende und wir würden immer weniger Besuchern aus dem Süden begegnen. Das Highlight der beiden Nächte vor Ort waren einmal mehr die Nordlichter. Zu meiner Überraschung konnte auch ich selbst hier leichte Farben am Himmel wahrnehmen. Und die Lichter waren nicht nur grün, sondern zeigten auch blau/violette und rote Töne. Gefühlt waren mit uns auch alle anderen Besucher des Campingplatzes auf den Beinen, um das Schauspiel am Himmel zu bewundern.
Der eigentliche Grund für unseren Stopp in Jokkmokk war aber ein Besuch im Sami-Museeum Ájtte. Dieses war wirklich schön gemacht und bot uns einen tiefen Einblick in diese nordische Kultur, welche sich von Norwegen bis nach Russland erstreckt. Es war faszinierend von ihren Gebräuchen und ihrem Nutztier, dem Rentier, zu lesen. Auch über andere lokale Tiere wie Elch, Vielfrass, Polarfuchs, Wolf und Bär durften wir nochmals einiges neues lernen. Und wir waren überrascht, wieviele Vogelarten hier im Norden leben sollen. War unsere Erfahrung der letzten Wochen doch eher, dass Vögel hier so gut wie nie zu hören und nur ganz selten zu sehen sind.
Nach einer weiteren, von Nordlichtfotos „geplagten“ Nacht setzten wir am folgenden Tag unsere Fahrt in den Süden fort. Schon nach kurzer Zeit überschritten wir den Polarkreis (womit wir uns innerlich schon mal von den Polarlichtern verabschiedeten) und kamen am frühen Nachmittag in Luleå an der Küste des Bottnischen Meerbusens an. Der riesige Campingplatz hier war zwar etwas besser besucht, aber gemessen an seiner Grösse war es doch wieder sehr still und wir standen ganz alleine auf einem grösseren Wiesenabschnitt. Lustig war es zu hören, dass das Paar vor uns an der Rezeption ebenfalls den vertrauten St.Galler Dialekt sprach. Es stellte sich heraus, dass sie direkt an der Grenze zu Vorarlberg, aus Dipoldsau, kamen und auch des Öfteren in Vorarlberg unterwegs sind.
Sonst schien es in der Umgebung nicht so viel zu entdecken zu geben, weshalb wir unsere Fahrt in den Süden Tags darauf fortsetzen. Auf dem Weg in den kleinen Ort Byske machten wir in dem kleinen Landschaftsschutzgebiet „Sandängestranden“ mit Strand Pause und freuten uns über das relativ warme Wetter, die ruhige See, Sonne und schöne Sandbänke. Letzterem waren wir auf unserer Fahrt durch Norwegen nämlich so gut wie nie begegnet.
Nachdem wir uns dann doch wieder von diesem ruhigen, schönen Ort losreissen konnten trafen wir wenig später auf dem Campingplatz in Byske an. Hier war es jetzt wirklich sehr still und wir teilten den riesigen Platz gerade mal mit einer Handvoll anderen Campern. Zudem wurden wir in der Rezeption so nett empfangen, dass wir noch am gleichen Abend beschlossen hier einen weiteren Tag zu bleiben und das schöne Wetter mit einer Rad-Wanderung entlang der Küste zu geniessen. Eine gute Entscheidung, denn hier fühlten wir uns wirklich wohl, der Ort war sehr naturnah und wir durften auf dem Weg durch den Wald mal wieder einer ganzen Schaar von Trollen begegnen. Und das Beste: Es gab wieder leckeres, schwedisches Sia-Eis! Und wegen Sommersaison-Ende sogar zum halben Preis! 😋
Tags darauf packten wir erneut wieder alles in die entsprechenden Boxen und setzten unsere Fahr in den Süden fort. Nächstes Ziel war ein Stopp in Skellefteå. Hier hatten wir auf Google Maps gesehen, dass die Altstadt wohl einen Besuch wert ist. Diese besteht aus unzähligen Holzhäusern, in denen früher wohl gleich mehrere Parteien wohnhaft waren.
Da es aber auch hier wegen nicht mehr vorhandener Touristensaison sehr ruhig war, fuhren wir kurze Zeit später wieder weiter nach Süden zu einem Leuchtturm im Bjuröklubb Schutzgebiet. Von den am Weg beschriebenen Wasservögeln bekamen wir zwar keine zu Gesicht, hatten aber einen wundervollen Ausblick auf eine steinige Küste und die Wälder im Hintergrund. Bemerkenswert waren hier auch grosse Steinfelder, die sich an einigen Stellen im Wald erhalten hatten und nicht für Pflanzen, bis auf Moose und Flechten, eingenommen wurden.
Noch am gleichen Abend kamen wir in einem kleinen und von einem sehr netten Paar geführten AirBnB bei Umeå an, wo wir zwei Nächte verbringen würden. In erster Linie, weil wir von den vielen Kunstskulpturen gehört hatten, die man hier durch die ganze Stadt verstreut entdecken kann. Wir freuten uns, dass wir auch in der Unterkunft selber noch viele weitere Empfehlungen für die nahe Umgebung bekamen, die unsere Wegfindung für den Folgetag mitbestimmen würde. Entsprechend begann der nächste Tag nicht direkt in der Stadt, sondern wir entschieden mit dem Fahrrad dem Fluss entlang in die Stadt zu fahren und durften so schon an mehreren schönen Stellen vorbei kommen. Hier war entweder die Natur sehr schön oder es gab ein Kunstwerk zu entdecken. Zum Beispiel ein Buddha in einem ehemaligen Wasserkraftwerk. Die Stadt selber war dann eher nüchtern, aber bot noch weitere Kunstwerke auf Plätzen, in Parks und am Flussufer.
Da wir erst vor Ort über die weiteren möglichen Sehenswürdigkeiten erfahren hatten (und wie schon so oft in letzter Zeit einige wegen Saisonende auch schon wieder geschlossen waren), ging es Tags darauf weiter Richtung Süden. Der nächste Abschnitt führte über die sogenannte Höga Kusten, wo sich Schwedens Küste erstaunlich felsig und mit markanten Erhebungen zeigte. Es war schön, nach den endlosen Wäldern der letzten Tage auch mal wieder etwas mehr Sichtweite zu haben und andere Landschaftstypen entdecken zu dürfen.
Ein Stopp legten wir an der Küste bei Skeppsmalen ein, wo sich eine beeindruckende Landschaft aus rund und glatt geschliffenen Steinen aus dem Meer erhob. Und ja, „erhob“ ist in diesem Zusammenhang das richtige Wort, denn wie wir auf Schildern vor Ort erfuhren, erhebt sich das Land, seit die Gletscher darauf verschwunden sind, wirklich aus dem Meer und so sind zum Beispiel schon mehrere kleine Häfen in der Umgebung unbenutzbar geworden.
Eine weniger schöne Begegnung war dann leider unsere nächste AirBnB-Unterkunft kurz vor dem Skuleskogen Nationalpark. Hier wollten wir eigentlich für drei Nächte unterkommen, um eine Wanderung im Nationalpark zu machen und mal wieder unsere Wäsche zu waschen. Bei unserer Ankunft mussten wir aber schnell feststellen, dass das gemietet Haus leider nicht nur alt aussah, sondern auch sehr intensiv nach „alt“ roch… Während ich selber schon Mühe mit dem Geruch hatte, war es für Sabrina leider eine Qual. So beschlossen wir mitten in der Nacht in unseren Cali zu wechseln, um noch etwas Schlaf zu finden. Tags darauf fiel es uns schwer den durchaus netten, schwedischen Gastgebern zu sagen, dass wir mit ihrer Unterkunft nicht klar kämen und frühzeitig abreisen werden. Wir waren sehr dankbar, dass die beiden verständnisvoll waren und einer Adaptierung unserer Buchung zustimmten. Auch Sabrina viel ein Stein vom Herzen, als wir unsere Fahrt fortsetzten und einen kleinen Campingplatz in der Gegend ansteuerten, wo wir die nächsten zwei Tage verbrachten.
Dieser Campingplatz lag südlich des Skuleskogen Nationalparks und war wiederum wirklich sehr schön in der Natur, umgeben von Bäumen und angrenzend zum Meer. Zu unserer Überraschung gab es für den kleinen Platz keine Rezeption sondern wir konnten unseren Aufenthalt über einen Ticketautomaten buchen und den Stellplatz frei wählen. Dusche, Küche und Waschmaschine waren im Preis inbegriffen, worauf wir natürlich sofort unsere dreckigen Kleider aus dem Auto holten. Noch am gleichen Abend war alles wieder sauber und trocken und wir konnten, dank Sonnenschein und wenig Wind, sogar einige Zeit an der frischen Luft verbringen.
Der Folgetag war dann erneut von sehr schönem Wetter gesegnet und wir beschlossen eine Tageswanderung durch den Skuleskogen zu machen. Diese führte durch wirklich schönes Gelände mit dichtem Wald, Steinfeldern, Sümpfen und schliesslich über Felsen hoch zu einer gigantischen Aussicht auf dem Slåttdalsberget über die Küste, welche mit unzähligen Inseln gefüllt war. Das eigentlich Highlight war aber die Slåttdalsskrevan Schlucht, welche aus Sicherheitsgründen zwar nicht mehr durchwandert werden darf, aber auch von ihren Enden aus einen beeindruckenden Anblick bot. Wir waren überrascht, wieviele Leute und Nationen trotz „später“ Jahreszeit in diesem Gebiet noch unterwegs waren.
Die Wanderung durch dieses küstennahe und doch bergige Gebiet gehört ohne Frage zu einem meiner Highlights auf dieser Reise.
Bis wir den Süden von Schweden erreichen wird es allerdings noch einige Reisetage dauern. Doch bevor ich mich jetzt wieder in den Erzählungen aller folgenden Stopps auf unserem Weg in den Süden verliere, soll dieser Beitrag hier erst einmal enden und veröffentlicht werden. Nächstes Mal erzählen wir euch dann von unseren Abenteuern in Stockholm, unserem Besuch bei Pipi und Michel und den letzten Tagen in Schweden.
Hallo Ihr Zwei
Wieder wurde ich überrascht von so tollen Bildern und Texte natürlich 😄
Bin sprachlos und freue mich für euch beide das ihr so viele tolle Momente erfahren konntet.
Liebe Grüsse
Sonja