Ausrüstung, Neuseeland 2015

Ausrüstung: Das Zelt

„Wer kauft so was?“ – War immer mein Gedanke, wenn ich mir im Laden oder Katalog ein Hilleberg Zelt angeschaut habe. Klar, die Zelte machen zwar einen stabilen Eindruck und haben eine sehr gute Reputation, aber um die Fr. 1’000.- für ein 2 bis 3 Personen Zelt? Ein nettes Sümmchen. Kurz gesagt: Vor meiner letzten Reise sah ich nicht den Sinn so viel Geld für ein Zelt aus zu geben, wenn ich bei Exped oder Vaude ebenfalls eine sehr gute Qualität und durchdachtes Design für wesentlich weniger Geld bekommen konnte.

Aber dieses Mal waren die Voraussetzungen für ein Zelt etwas anders. Da ich auf meine dritte Neuseelandreise nur einen Trekking Rucksack eingeplant hatte, der mich mit seinem kompletten Inhalt jeder Tag begleiten würde, musste mein Zelt in erster Linie eine ganz besondere Eigenschaft habe: Es musste so leicht wie möglich sein. Da ich hauptsächlich auf Hütten übernachten wollte, durfte es ausserdem auch als reine Notlösung gesehen werden.

Erst einmal ist zu erwähnen, dass die Branche in diesem Bereich in den letzten Jahren erstaunliche Fortschritte gemacht hat. Neue Materialien und Zeltformen haben massiv an den Gewichtswerten der Zelte gesägt. Entsprechend dürften sich heute bei fast allen namhaften Zeltherstellern 1 bis 2 Personen Zelten finden lassen, die gerade mal ein Gewicht von etwas mehr als einem Kilo haben! Natürlich spreche ich dabei von hochwertigen Zelten, mit Innen- und Aussenzelt-Konstruktion sowie hoher Wind- und Wetterstandhaftigkeit.

Nach einem Exped Venus II und einem Vaude Taurus UL auf den letzten Reisen hatte ich schon ziemlich klare Vorstellungen was mein neues Zelt für Eigenschaften mitbringen sollte: Ein Innenzelt war absolute Pflicht. Insektenplagen und Feuchtigkeit in Form von Kondenswasser oder stetem Regen lassen sich so einfach besser unter Kontrolle halten. Ein Vorzelt, wo sich im Minimum die dreckigen Wanderschuhe und, falls im Innenzelt nicht möglich, auch der Rucksack unterbringen lassen würde. Ausserdem kocht es sich unter freiem Himmel bei Regen oder Sandflies-Belagerung sehr schlecht, womit also auch für Kocher und Pfanne im Notfall genügend Platz zur Verfügung stehen sollte. Eine hohe Wind- und Regenbeständigkeit und ein einfaches Aufbauen gehörten ebenfalls zum Pflichtprogramm. Und zu guter Letzt sollte man sich im Innenraum notfalls auch für etwas mehr als nur zum Schlafen wohl fühlen können.

Im Internet hatte ich, wer weiss nach wie vielen Stunden ;), meine Auswahl schliesslich auf das Power Lizard SUL von Vaude und, welch Überraschung, auf das Hilleberg Enan reduziert. Beide Zelte wiegen gerade mal etwas mehr als ein Kilo, wobei das Lizard sogar noch etwas leichter weg kam und gemäss Massangaben mehr Raum bot. Zu diesem Zeitpunkt wurde es Zeit, mit den beiden Optionen mal wortwörtlich auf Tuchfühlung zu gehen. Ich kann nur jedem empfehlen Zelte nach Möglichkeit vor dem Kauf zu besichtigen und auch einmal darin Probe zu liegen. Es ist beachtlich, was für einen Unterschied die Massangaben und der effektive Eindruck von einem Zelt machen können. Und so war es dann auch bei mir.

Als erstes viel mir bei beiden Zelten der erschreckend dünne Stoff auf. Man könne schon fast von Seidenpapier-Haptik reden. Schnell war klar, dass die Hersteller bei diesen Superleicht-Zelten an die Grenze des machbaren gegangen sind. Ein Grund mehr also, auf ein Zelt zu setzen, wo man Vertrauen in die Erfahrung und Verlässlichkeit des Herstellers hat. Mit Vaude hatte ich bereits persönlich sehr gute Erfahrungen gemacht. Dem Gegenüber standen die diversen positiven Meinungen von Hilleberg-Nutzern. Aber dann, mit einem kurzen Probeliegen war der Fall schnell klar: Das Vaude fühlte sich irgendwie einfach beengend und weniger Stabil an und bot ausserdem eine massiv kleinere Apsis.

Somit ging das Hilleberg Enan als Gewinner des langen Vergleichens hervor und wurde kurz darauf bestellt. An dieser Stelle muss ich leider zugeben, dass ich das Zelt nicht direkt beim Aussteller, sondern online gekauft habe… Für mich eher untypisch, da ich finde, wer einem die Möglichkeit bietet ein Zelt auszuprobieren und hoffentlich fachmännisch beraten kann (was bei mir leider überhaupt nicht der Fall war…) verdient es auch das Produkt verkaufen zu dürfen, auch wenn man ein paar Franken mehr zahlt.

Aber zurück zum Zelt: Das Enan für eine Person gibt es in den Farben grün und rot. Habe mich für rot entschieden, da es im Gelände besser auffällt, was in einer Notfallsituation von Vorteil sein könnte, und die Farbe auf mein Gemüt einen positiven Einfluss hat. Wer lieber in der Natur verschwinden oder vielleicht sogar auf Tierbeobachtung gehen möchte, ist mit der grünen Variante aber wohl besser beraten. Das tragende Element ist mehr oder weniger eine einzelne Hauptstange, die im grossen Bogen in der Mitte des Zeltes quer zur Liegerichtung gespannt wird. Die restliche Raumgrösse wird durch Abspannseile, Häringe und zwei ca. 20 Zentimeter langen Kunststoff Stangen am Kopf- und Fussbereich erreicht. Eine Zeltunterlage muss separat gekauft werden. Ich habe meine aus sehr dünnem Tyvek-Papier, welches im Bastelgeschäft beim Drachenzubehör zu finden ist, hergestellt. Das Innenzelt besteht (meines Wissens bei beiden Zeltausführungen) aus gelbem, ebenfalls sehr dünnem Stoff. Der Zugang erfolgt durch eine sehr grosszügige Tür mit extrem feinen, netzähnlichem Material. Im Innenbereich gibt es noch zwei relativ grosse Aufbewahrungsnetze gegenüber des Eingangs.

Dies Punkte sind mir nach mehrfachem Einsatz positiv bzw. negativ aufgefallen. Trotz meiner dreimonatigen Reise kam das Zelt aber bis jetzt eher selten zum Einsatz!

Positiv

  • Schneller Aufbau: Nur 1 Stange, durchgehender Stangenkanal, das Innenzelt bleibt beim Transport eingehängt.
  • Dank eingehängtem Innenzelt kein nasser Innenraum nach dem Aufbau.
  • Grosser Vorraum. Notfallkochen ist möglich (Vorsicht: Bildung von giftigen Gasen und Brandgefahr!).
  • Sehr robuster und hoher Wannenboden im Innenzelt.
  • Sehr grosser Zugang.
  • Bei einer Körpergrösse von 172cm angenehm grosser Innenraum – Aufrecht zu sitzen ist fast möglich.
  • Sehr hochwertige, stabile Häringe.
  • Zeltmaterial ist trotz der geringen Dicke erstaunlich stabil.
  • Die Zeltstange ist sehr biegsam und robust.
  • Die Spannseile sind sehr leicht zu handhaben.
  • Der äussere Zugang lässt sich weit geöffnet fixieren.
  • Netze an Kopf- und Fussende des Aussenzelts sorgen für genügend Frischluft und können auf Wunsch auch abgedichtet werden.
  • Sehr gute Windstabilität.
  • Reparaturglied für die Stange mitgeliefert.
  • Saubere Verarbeitung.
  • Häring-Anzahl ist bereits am entsprechenden Beutel vermerkt.
  • Im Vorraum lassen sich, mit etwas Kletterarbeit, ein grosser Rucksack (55+15l) und ein Paar Wanderschuhe unterbringen.
  • Beim öffnen des Vorzeltes tropft zwar Wasser ins Vorzelt, aber nicht auf das Innenzelt.

Negativ

  • Ohne vernünftige Abspannmöglichkeit verliert das Zelt massiv an Volumen.
  • Netz des Eingangs zum Innenzelt kann nicht abgedichtet werden.
  • Zeltmaterial ist wegen der geringen Dicke sehr anfällig für Lochbildung (beim Verpacken nicht zu viel Druck ausüben bzw. zu fest komprimieren!).
  • Hatte oft sehr viel Kondenswasser am Aussenzelt, teilweise sogar Innenzelt.
  • Das dünne Material erzeugt durch die Spannung und Wind mehr Geräusche als Zelte mit dickerem Material. Hat mich persönlich aber nicht gestört.

Tipps:

  • Die Kunstoffstangen am Kopf- und Fussende lassen sich mit etwas Fingerspitzengefühl entfernen und somit mit der Hauptstange transportieren. Dann sollten allerdings die gummierten Enden an den Stangen angeleimt werden (z.B. mit Seamseal Reparaturkleber) um nicht verloren zu gehen.
  • Ohne Gestänge passen Aussen- und Innenzelt gut in einen kleineren Packsack (z.B. Exped Fold Drybag UL S [30 × 16 cm]).
  • Eine selbst gemachte Unterlage aus reisfestem Tyvek-Papier, welches auch für Flugdrachen verwendet wird, spart Gewicht (gegenüber Hilleberg Produkt) und schont den Zeltboden.

Fazit

Trotz des relativ hohen Preises für ein Einpersonenzelt bin ich bis jetzt sehr zufrieden mit dem Hilleberg Enan. Das Verhältnis aus Gewicht/Qualität und Nutzraum ist aus meiner Sicht sehr gut. Das Zeltmaterial wirkt im ersten Moment extrem filigran hat sich in der Praxis aber als sehr belastbar und stabil herausgestellt. Stangen, Schnüre und Häringe sind absolut top. Als Notfallzelt erfüllt das Enan auf jeden Fall einen sehr guten Job und dürfte, falls nötig, auch einmal für zwei bis drei Tage genügend Freiraum zum Ausharren einer Schlechtwetterlage bieten, wenn man sich damit abfindet, die meiste Zeit im Liegen zu verbringen. Wegen der Notwendigkeit das Zelt an vier Stellen abspannen zu können und mit min. vier weiteren Häringen fixieren zu können ist es allerdings eher für niedrige Lagen mit häringfreundlichem Untergrund geeignet.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert